Materialitäten & Medium
Daniel Wrede



Das Material nimmt in meiner Arbeitsweise eine zentrale Rolle ein. Sei es im klassischen Sinne zur Herstellung und Über-setzung von Objekten, als ein Gegenstand, in der Art von Handlungs- und Bewegungsabläufen, oder als Strukturen und Voraussetzungen. Das Material ist dabei nicht nur das Medium welches zur Umsetzung von Gedanken dient, es ist der Gedanke selbst. Erst durch die intensive Beschäftigung mit dem Material werden dessen Eigenschaften deutlich. Es ent-stehen neue Denkansätze. Durch kleine, behutsame Veränderungen und Manipulationen im ursprünglichen Verwendungs-zusammenhang werden feine Kontextverschiebungen erreicht, die dem Material neue Bedeutungsebenen hinzufügen.




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Kunstpreis "What is Love? Liebe & Dating im digitalen Zeitalter"
Eva Fischer-Hausdorf, Sebastian Frenzel, Asli Serbest


Daniel Wrede verwendet für Hermann R. zwei herkömmliche Kleiderbügel, die er in verschiedenen Variationen ineinander schiebt. Sie ergänzen sich dadurch zu einem neuen zeichenhaften Ganzen, das Wrede als Sinnbild für den Algorithmus von Dating Dating-Apps versteht: als symmetrische Teile einer Einheit scheinen sie wie füreinander gemacht. Durch den Titel verweist der Künstler auf den Rorschach-Test: wie beim Persönlichkeitstest lassen auch die Variationen der Kleiderbügel verschiedene individuelle Assoziationen zu. Wrede überzeugt durch sein souveränes konzeptuelles und minimalistisches Vorgehen, in dem er die schlichten Kleiderbügel in einen völlig neuen Kontext überführt und dabei sowohl gewitzt wie auch gefühlvoll der ästhetischen Qualität des Alltagsobjekts nachspürt.




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terms and condition

Publikation anlässlich der Ausstellung "terms and conditions" im Pavillon des Gerhard-Marcks-Hauses in Bremen, vom     26. November 2017 bis zum 04. März 2018.

Texte / Dr. Kai Hochscheid , Fotos / Sandra Beckefeldt

 publikation / terms and conditions




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41. Bremer Förderpreis für Bildende Kunst 2017
Ingmar Lähnemann


Daniel Wrede zeigt drei Werke, die für sich stehen, aufgrund ihrer Materialität und ihrer Anordnung im Raum jedoch eine so enge Beziehung eingehen, dass sie auch als einheitliche Installation rezipierbar werden. Schubkarre ist die Arbeit, die am deutlichsten auf einen alltäglichen Gebrauchsgegenstand verweist. Dieser ist weit davon entfernt, als Ready-made charakterisiert werden zu können, denn er wird hinsichtlich seiner skulpturalen Materialqualitäten präsentiert, mit polierten, hoch ästhetischen Oberflächen und farblich starken Gegenüberstellungen, doch die Zuordnung zu einer Funktion bleibt für Betrachter*innen sofort sichtbar. Erst auf den zweiten Blick erkennt man, dass mit dem einen Griff dieser Schubkarre offensichtlich entscheidend in deren Funktionalität eingegriffen wurde (wenn man nicht annimmt, dass es sich um eine ironische Entwicklung für den einhändigen Gärtner handelt, was auch eine Lesart wäre) und sie endgültig zur Skulptur wird, die eine hohe Ähnlichkeit mit einem Alltagsgegenstand zeigt.
Bei den großen Anlehnbügeln an der Wand lässt sich ebenfalls sehen, dass es sich um Fahrradständer für den Außenraum handelt und wenn man dies erkannt hat, nimmt man als Betrachter*in plötzlich eine Vogelperspektivesicht auf die Wand ein. Durch die für ihre eigentliche Funktion unsinnige Anbringung wird hier schneller als bei der Schubkarre die Übertragung in eine rein skulpturale Setzung, die sich offensichtlich auch auf die Raumgröße und die Säulenreihung im Zentrum bezieht, deutlich. Daniel Wrede geht jedoch mit seinem Eingriff bei den Anlehnbügeln weiter und macht sie mittels der Kabelbinder, die er wie absurde Barcodes anbringt, endgültig zu einer Skulptur, überführt sie aus der Horizontalität, die für ihre Alltagsfunktion entscheidend ist, in eine Vertikalität, die höchstens an andere funktionale Gegenstände wie einen Haltegriff denken lässt, dann aber auch nur als dessen ironische Übersteigerung gelten kann. So liegt das Hauptaugenmerk erneut auf den Materialien, dem Gegensatz zwischen dem Stahl, fest, haltbar, teuer, kunstwürdig, und den Kabelbindern, die formbar, temporär, günstig sind. Und beide Materialien gehen aus diesen Gegensätzen dennoch eine ästhetische Symbiose ein, die fast malerisch wird, bewusst komponiert ist, minimale Serialität zitiert und zwei industrielle Oberflächen würdigt.
Diese Elemente der Schubkarre und der Anlehnbügel finden sich verdichtet im dritten Werk, der kleinen Arbeit untitled 13, die aus einem Aluminiumrahmen um eine goldene Fläche besteht, die wiederum aus der Reihung von Verschlussclips von Brottüten gebildet wird, auf denen das Haltbarkeitsdatum aufgedruckt ist. Obwohl auch hier die ursprüngliche Funktion deutlich erkennbar bleibt, kann man sich der Wirkung eines Goldgrundes, eines Zitats der religiösen Malerei und einer gesteigerten Wertigkeit nicht entziehen. Und statt auf die abgelaufenen Backwaren zu rekurrieren, verbindet man die sichtbaren Daten eher mit eigenen Assoziationen – wie persönlich das Werk zum Beispiel wird, wenn der eigene Geburtstag oder ähnliches aufgedruckt (und golden überhöht) ist.



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Über Achtsamkeit und Material
Eefke Kleimann


Der Begriff Material leitet sich vom lateinischen materia ab und meinte ursprünglich (Bau-oder Nutz) Holz, Vorrat und Rohstoff. Künstlerische Positionen und wissenschaftliche Diskurse handelten von Antike bis Postmoderne den Materialbegriff immer wieder neu aus, der uns heute manchmal ein wenig überstrapaziert und verbraucht daherzukommen scheint. Ein Künstler aber kommt um die Arbeit mit dem Material nicht umhin. Erst durch seine Arbeit, seinen Eingriff, sein Konzept wird aus Material Kunst.

Als ein für ihn zentrales Material nennt Daniel Wrede die Zeit. Was zunächst wie ein Paradoxon klingt, nämlich die Stilisierung der immateriellen Einheit schlechthin zu einem unverzichtbaren Rohstoff für die künstlerische Arbeit, ist das Fundament für die präzise und sensible Wirkung seiner Werke, welche häufig die Grenzen zwischen den konventionellen Gattungen sprengen. Dabei steht am Anfang immer das spezielle Interesse für einen Gegenstand oder einen bestimmten, meist bereits industriell ver- arbeiteten Stoff. Ob Tablettenblister, Brottütenverschlüsse oder Silikon aus Tuben – die Eignung des Objektes als Material für eine künstlerische Arbeit wird über die Zeit im Atelier untersucht, getestet und beobachtet. Dabei wird allerdings keine zuvor konzipierte Form dem Material aufgezwungen, sondern die Auseinandersetzung mit den Eigenschaften und möglichen Assoziationsräumen führt zur Entwicklung der Form. Achtsam und behutsam geht Wrede mit den Dingen um, die gemeinhin als Abfall der kapitalistischen Gesellschaft zählen, erkennt deren ästhetische Qualitäten und sucht nach der Erfüllung des Gegenstandes in der Kunst. Dabei entstehen Kontextverschiebungen, fein und präzise, die sowohl humorvoll als auch tiefsinnig auf kunsttheoretische Diskurse, gesellschaftliche Phänomene und persönliche Erfahrungen verweisen. Hierbei gibt er die Kontrolle ab – ihm geht es nicht darum eine eindeutige Lektüre seiner Kunst zu definieren oder Intentionen auszuformulieren. Das Offene und Prozessuale spielt also nicht nur für seine Arbeit im Atelier eine entscheidende Rolle, sondern er spricht auch dem gefertigten Werk die Möglichkeit zu, für den Rezipienten alles zu sein.



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unlike-material
Barbara Claassen-Schmal


Daniel Wredes Werken liegt eine forschende Betrachtungsweise zu Grunde, mit der er sich alltäglichen Materialien und Objekten nähert. Er entwickelt neue konzeptionelle Strategien, die er aus dem Material, den spezifischen Eigenschaften und deren Erscheinungsformen herleitet. Mit präzisen Interventionen werden banale Gegenstände verändert um überraschende, mal groteske Anordnungen und Situationen herbeizuführen. Dabei geht es nicht nur um Veränderung, sondern um die Kontextverschiebung, die entsteht wenn die Clip-Verschlüsse von Brottüten in serieller Reihung auf subtile Weise die Ernährungs-gewohnheiten einer unbekannten Person dokumentieren.



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AUF ANDEREN GRÜNDEN
Ingo Clauß


Daniel Wrede interessiert sich für Eigenschaften und Erscheinungsformen alltäglicher Materialien und Objekte. Mit wenigen aber präzisen Veränderungen verwandelt er banalste Gegenstände in Kunst. Gerne führt er groteske Anordnungen und Situationen herbei. Beispielhaft sei die kleine Wandarbeit Abschied von 2010 erwähnt. Ein weißes Stofftaschentuch lässt er, angetrieben von einem Motor, un- aufhörlich auf und ab bewegen. Das stupide Winken erinnert  in seiner Zwecklosigkeit an dadaistische Strategien der Antikunst. Doch gerade im vermeintlichen Unsinn entfalten Wredes Arbeiten ihre  eigentlich erkenntnisstiftende Qualität.

Für die Ausstellung hat Wrede drei neue Arbeiten geschaffen, die er als Gruppe aufeinander bezieht. Auf einer weißen Platte liegt ein vereinzelter Kreiskegel, der einer Spielfigur gleicht. Auf unerwartete Weise wird er durch die Platte in Bewegung versetzt, so dass er in einem spielerischen Hin und Her stets neue Positionen einnimmt und auf den Boden zu fallen droht. Eine mehrteilige Wandarbeit besteht aus weiß beschichteten MDF Holzplatten, deren Oberfläche durch rasterförmige Bohrungen perforiert wurde. Durch das wochenlange Einwirken von Feuchtigkeit ist das vormals glatte und hartkantige Objekt aufgeschwemmt und so verändert, als würde das organische Material in seine ursprüngliche Form zurückdrängen. Die dritte, ebenfalls mehrteilige Arbeit besteht aus kleinen Schau-kästen, in denen Verschlussclips von Brottüten lakonisch nach dem Verfallsdatum aufgereiht sind. Gemein ist diesen Arbeiten einebenso humorvolles wie hintersinniges Spiel mit den Erwartungen an die „hohe Kunst“, die Wrede geschickt unterwandert und in Frage stellt.