erz / 2024 An jeden beliebigen Ort Er blieb vor einen der Schaufenster in der Einkaufsstrasse stehen. Irgendetwas hatte seine Aufmerksamkeit geweckt. Sein Blick wanderte durch das hell erleuchtete Schaufenster, es war das Fenster eines Juweliers. In den Auslagen konnte er Schmuckstücke sehen, Ketten, Ringe, Armbänder aus funkelnden Metallen und besetzt mit Edelsteinen. Gold, Silber und vermutlich noch andere Edelmetalle glänzten und glitzerten im Schein des Kunstlichtes. Aber es waren nicht die funkelnden Schmuckstücke die seine Aufmerksamkeit geweckt hatten und ihn dazu bewogen inne zuhalten. Zwischen den sorgsam drapierten Schmuckstücken befanden sich, wohl als Dekoration, steinerne Brocken von der Größe eines Kinderkopfes. Bei genauerem Hinschauen entdeckte er in den Steinbrocken Spuren von Metallen. Gold und in einigen von ihnen auch Silber wie er vermutete, zogen sich teils als feine Äderchen, teils als Klumpen, fast wie eine Art Wucherung durch das Gestein und waren mit dem Stein verwachsen. Teilweise ragten, wuchsen sie regelrecht aus dem Stein heraus. Er starrte auf die Brocken des Erzes. Ihm kamen Bilder in den Sinn. Bilder von Menschen, von Kindern bei körperlich auszehrendem Abbau in dunklen Minen. Bilder von klinisch reinen Fabriken die unter Einsatz chemischer Vorgänge das letzte Mikrogramm Edelmetall aus dem Gestein lösten. Bilder von Menschen die alles opferten und hinter sich ließen, die ihre Heimat verließen für einen Brocken dieses Metalles, für die Hoffnung auf ein würdiges Leben in Wohlstand. Er wandte seinen Blick von dem Schaufenster ab und ließ ihn über die Einkaufsstrasse schweifen. All die Menschen um ihn herum in ihrem geschäftigen Treiben. Anywhere He stopped in front of one of the shop windows on the shopping street. Something had caught his attention. His gaze wandered through the brightly lit shop window; it was a jeweler's window. In the displays, he could see jewelry, necklaces, rings, bracelets made of sparkling metals and set with precious stones. Gold, silver, and presumably other precious metals shone and glittered in the glow of the artificial light. But it wasn't the sparkling jewelry that caught his attention and made him pause. Among the carefully arranged pieces of jewelry were chunks of stone the size of a child's head, presumably used as decoration. Upon closer inspection, he discovered traces of metal in the chunks of stone. Gold and, in some of them, silver, as he suspected, ran through the rock, partly as fine veins, partly as lumps, almost like a kind of growth, and had become fused with the stone. In some places, they protruded, literally growing out of the stone. He stared at the chunks of ore. Images came to mind. Images of people, of children doing physically exhausting work in dark mines. Images of clinically clean factories that used chemical processes to extract every last microgram of precious metal from the rock. Images of people who sacrificed everything and left everything behind, who left their homes for a chunk of this metal, for the hope of a dignified life in prosperity. He turned his gaze away from the shop window and let it wander over the shopping street. All the people around him going about their busy business. |
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Der Blinde Fleck / 2023 »Das Leben kann nur in der Schau nach rückwärts verstanden, (Søren Kierkegaard, dänischer Philosoph) Der Blinde Fleck Viele Entscheidungen können erst im Nachhinein eingeordnet werden. Mit unserem heutigen Wissen über vergangene, geschichtliche Ereignisse haben wir heute ein anderes Verständnis von Erlebnissen, die beispielsweise vor 50 oder 100 Jahren stattfanden. Dabei ist der Versuch des Verstehens ein kommunikativer Prozess. Wir reden übergeschichtliche Ereignisse, ziehen unterschiedlichste Wahrnehmungen hinzu, tauschen uns aus und bilden uns eigene Meinungen. Eine Möglichkeit sich mit historischen Ereignissen, Personen und Entwicklungen auseinanderzusetzen bietet zeitgenössische Kunst. Heute lebende Künstlerinnen und Künstler reflektieren mit ihrem Wissensstand nicht nur die Gegenwart, sondern auch Vergangenes. Der Hamburger Bildhauer Daniel Wrede setzt sich in seiner künstlerischen Arbeitsweise intensiv mit Material und dessen Wirkung und Bedeutung in unserer Gesellschaft auseinander. Seine objekthaften Werke vereinen die Beschäftigung In der Kunststätte Bossard nutzte er den doppelreihig angelegten Baumkreis, das sogenannte Omega, für eine speziell Vom 14. Mai bis 29. Oktober 2023 war die Arbeit »Der Blinde Fleck« an der Kunststätte Bossard zu sehen. Form (Zylinder), Parallel begann die Aufarbeitung zum Künstlerehepaar Bossard und ihrer Kunststätte. Diese beinhaltete nicht nur eine Herangehensweise an das große Ganze, sondern zahlreiche Ansätze. So wandelte sich auch die Umsetzung von Wredes Katharina Groth, Kuratorin, Kunststätte Bossard |
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paradies / 2016 - 2024 |
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paradies / 2022 In his artist‘s book „paradies“ Daniel Wrede continues his series of works with the same name, which he has been creating since 2016, while at the same time exploring and expanding it. His „paradies“ works or objects show strong formal relationships to the medium of writing. In an exploration of the medium of the book, the artist reveals reflections on paradise and its original meaning of the word. The resulting book is a collection of materials, sketchbook and workbook at the same time. It provides insights into Daniel Wrede‘s world of thought and allows us to participate in the development of his work. In addition to the book itself, the artist created an object that is both a book and a work of art - but without being both at the same time. What is a book by definition and what is an object, where does it begin and where does it end?
ISBN 978-3-948628-04-8 |
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konkret bremen / 2020 Daniel Wrede ist mit zwei Werkansätzen in der Ausstellung vertreten. In vier Arbeiten unterschiedlicher Größe zeigt er minimale Schnitte in vorgefertigte beschichtete Holzplatten in Aluminiumrahmen, deren Oberfläche er damit als Malerischen Grund definiert. Seine geschnittenen Linien sind präzise Zeichnungen, die sich in drei der vier Werke ausschließlich in der Horizontale bewegen, zweimal sogar nur mit einer Horizontlinie, die das Bild ungefähr im vertikalen goldenen Schnitt teilen. In der kleinsten der vier Arbeiten ergeben gleichmäßige horizontale wie vertikale Schnitte ein Kachelmuster aus vier mal vier Quadraten. Die Nutzung industriell gefertigter Elemente und die genauen linearen Setzungen und daraus entstehenden Reflexionen grundlegender geometrischer Formen sind, ebenso wie die Konzentration auf die Farbe Weiß, Aspekte dieser Objekt-haften Tafelbilder, die in einer Linie mit historischen konkreten Ansätzen gesehen werden können. Doch Daniel Wrede geht mit ebensolcher Präzision darüber hinaus, konterkariert die absolute Kontrolle und mathematisch-formelhafte Generierung dieser Bilder, indem er ein wenig Wasser an bestimmte Stellen in seine Schnitte gibt. Diese Geste bringt Unkrontrollierbarkeit in die Werke, deren Oberfläche minimal aufquillt, was ausreicht, um Eigenbewegung in die Bilder zu bringen, die dadurch noch mehr wie Objekte erscheinen. Die Wirkung, dass sie sich autonom verändern, weiter-entwickeln, aus der strengen Form des Schnittes auszubrechen scheinen und andererseits verletzt wirken, enthebt die weißen Tafeln jedoch nicht ihrer Konkretheit. Gerade weil plötzlich die künstlerische Handlung so nachvollziehbar wird, entsteht ein neuer Bezug zu den Betrachter*innen, den man als allgemeingültige individuelle Empfindung beschreiben könnte - ein Aspekt von Minimalismus und Konkretion, wie historische Protagonisten wie John Cage ihn im Zen-Buddhismus gefunden haben. Die doppelte Reduktion der exakten, einfachen Schnitte und der einfachen, präzisen Wasserpunktionen eröffnet eine individuelle Aneignungsmöglichkeit. In "paradies 05.01", 2018 setzt Daniel Wrede unpräzise Linien, die sich aus dem gewählten Material ergeben. Schwarzes Silikon, mit der üblicherweise im Bau genutzten Spritzpistole als nebeneinander liegende Rollen auf einer Holzplatte aufgetragen, vermitteln zwar das formelhafte Verfahren, das der Arbeit zugrunde liegt - möglichst exakte horizontale Simone Schimpf, Ingmar Lähnemann |
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terms and conditions / 2017 Der Widerhall des Kataloges "Wir treten ein. Treten ein in einen Raum, der zugleich sinnlich-wirklich und virtuell ist. Indem wir Kai Hochscheid |
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hermann r. / 2017 Daniel Wrede verwendet für Hermann R. zwei herkömmliche Kleiderbügel, die er in verschiedenen Variationen inein- ander schiebt. Sie ergänzen sich dadurch zu einem neuen zeichenhaften Ganzen, das Wrede als Sinnbild für den Algorithmus von Dating Dating-Apps versteht: als symmetrische Teile einer Einheit scheinen sie wie füreinander gemacht. Durch den Titel verweist der Künstler auf den Rorschach-Test: wie beim Persönlichkeitstest lassen auch die Variationen der Kleiderbügel verschiedene individuelle Assoziationen zu. Wrede überzeugt durch sein souveränes konzeptuelles und minimalistisches Vorgehen, in dem er die schlichten Kleiderbügel in einen völlig neuen Kontext überführt und dabei sowohl gewitzt wie auch gefühlvoll der ästhetischen Qualität des Alltagsobjekts nachspürt. Kunstpreis "What is Love? Liebe & Dating im digitalen Zeitalter" |
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untitled_01 - 13 / 2015 - 2017 |
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warten / 2014 kinetische installation, „Was auf den ersten Blick wie ein modernes Uhrenziffernblatt wirkt, entpuppt sich auf den zweiten als eine Ladeanzeige, wie sie von Smartphones oder Computern bekannt ist. Das Ende des Ladens eines Inhalts wird jedoch niemals erreicht. Eine Enttäuschung. Durch die Wiederbelebung des Uhren- körpers an seinem ursprünglichen Ort lädt Wrede das Vorhandene, oder besser dessen Überreste, mit neuer Bedeutung auf. Seine eigentliche Funktion bleibt erhalten, wird jedoch ins Absurde übersteigert.“ Katharina Groth |
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die summe einzelner teile / 2012 kinetische installation, "Die Fassade als reiner Ausdruck des Inneren" (Hans Scharoun). In der ehemaligen Ostertorwache, einem von Moritz Stamm (1794–1843) erbauten klassizistischen Torhausbau, wurde 1971 das Gerhard-Marcks-Haus eröffnet als ein Ort für diewissenschaftliche Betreuung und Präsentation des künstlerischen Nachlasses vonGerhard Marcks (1889–1981), aber auch als Stätte für die Auseinandersetzung mit moderner und zeitgenössischer Bildhauerei. Das Gebäude besteht aus einem Haupthaus mit markantem Portal in zentraler Mittelachse, dessen durch Stufen erhöhter Säulenportikus ein Spitzgiebel bekrönt. Bei genaueren Betrachten des Eingangsportals fällt besonders der Architrav, ein zurückgesetzter Raumzwischen dem oberem Säulenabschluss und dem Tympanon auf. Dieser Bereich leitet von der aufwärts strebenden Bewegung der Säulen zum horizontalen Bereich des Lastens überund übernimmt damit eine entscheidende optische und architektonische Funktion innerhalb der Fassade. Der künstlerische Eingriff setzt genau an diesem architektonisch sensiblen Bereich an: Dem mit klassischen Triglyphen gestalteten Zwischenraum wird sein Motiv genommen und dessen Struktur in Einzelteile aufgelöst. Dafür wird der Architrav verblendet und die in den Triglyphen verwendete Stabform durch frei rotierende Stäbe ersetzt. Mit dieser künstlerischen Setzung gerät nicht nur das architektonische Gerüst der Fassade ins Wanken, sondern es wird gleichzeitig die Objekthaftigkeit des strukturellen Motivs bewusst gemacht, und somit die Möglichkeit eröffnet, über sich hinauszu-weisen. Dies ist besonders wichtig im Hinblick auf die Fassade als einem entscheidenden Schnittpunkt zwischen Innen und Außen, oder wie Hans Scharoun es formulierte: „Die Fassade als reiner Ausdruck des Inneren“. Bewegung + Struktur ermöglichen die Erfahrung von dem Innen und dem Außen. Bewegung + Ruhe bilden ein Gegensatzpaar, sie definieren sich wechselseitig. Durch die Bewegung wird die auf ihren Objektcharakter reduzierte Struktur wiederholt. Die in Bewegung erzeugte Differenz und Wiederholung, ermöglicht ein Erkennen der künstlerischen Struktur. Das Begreifen der Fassade, als das Äußere des Gebäudes, legt somit einen Zugang für das Verständnis vom Inneren des Gebäudes: Ein Schwanken zwischen Ruhe und Bewegung, Motiv und Struktur, Realität und Illusion. Yvette Deseyve |



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